Der Wechsel vom deutschen ins schweizerische Schulsystem

27. Jun 2023 /

In diesem Blogbeitrag erhalten Sie detaillierte Informationen über das Schweizer Schulsystem, seine Besonderheiten, die zugrunde liegende Pädagogik, notwendige Voraussetzungen sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen – für einen erfolgreichen Wechsel in die Schweiz.

Einführung ins schweizerische Schulsystem

Was ist besonders an den schweizerischen Bildungsstrukturen?

Die erste Etappe der schulischen Bildung in der Schweiz besteht aus sechs Jahren Primarschule. Diese beginnt normalerweise im 6. Lebensjahr und legt den Grundstein für die weitere Bildung der Kinder.

Nach Beendigung der Primarschule stehen den Schülerinnen und Schülern im Allgemeinen zwei Hauptwege offen. Der erste und häufigste Weg in Zürich, den rund 80% der Schülerinnen und Schüler einschlagen, führt in die dreijährige Sekundarschule und danach in eine Berufslehre.

Der zweite Weg führt ins Gymnasium, welches in zwei Varianten angeboten wird: das Langgymnasium (ab 7. Schuljahr) und das Kurzgymnasium (ab 9. Schuljahr). Das Langgymnasium kann direkt nach der 6. Klasse besucht werden. Das Kurzgymnasium hingegen ist für Schülerinnen und Schüler gedacht, die nach zwei oder drei Jahren Sekundarschule wechseln möchten. Es gibt also insgesamt drei Möglichkeiten, ins Gymnasium zu wechseln: nach der 6., 8., oder 9. Klasse.

Sowohl das Lang- als auch das Kurzgymi führen zum gleichen Abschluss: der eidgenössisch anerkannten Matura. Dieser Abschluss ist das Pendant zum deutschen Abitur und ermöglicht den freien Zugang zu einer schweizerischen Universität, ETH oder Fachhochschule.

In unserem Blogartikel Das Schweizer Gymnasium: Von der Primarschule bis zur Uni/ETH finden Sie weitere Informationen zum Thema.

Was sind Grundlegende Unterschiede zum deutschen Schulsystem?

Zwischen dem schweizerischen und dem deutschen Schulsystem gibt es einige grundlegende Unterschiede. Einer der auffälligsten ist das Schweizer Aufnahmeverfahren. Im Gegensatz zu Deutschland müssen Schülerinnen und Schüler in der Schweiz in einigen Kantonen eine Zentrale Aufnahmeprüfung (ZAP) ablegen: die ZAP1 für das Langgymnasium, die ZAP2 für das Kurzgymnasium oder eine Handelsmittelschule und die ZAP3 für die Fachmittelschule und eine Berufsmaturitätsschule. Auch muss in allen Schulen eine Probezeit von einem Semester durchlaufen werden. Etwa 10 % der Schülerinnen und Schüler bestehen diese nicht.

Ein weiterer Unterschied liegt in der akademischen Qualifikation. In der Schweiz ermöglicht eine genügende Endnote an der Matur (ein Durchschnitt von 4,0 im Zeugnis) den Zugang zu jedem Studium an jeder Universität oder ETH im Land, mit Ausnahme der Studienrichtung Medizin, für die zusätzlich eine Eignungsprüfung abgelegt werden muss. Im Gegensatz dazu können in Deutschland bekanntlich nicht alle Abiturient/innen jedes gewünschte Studium aufnehmen.

Auch im Hinblick auf die Sprachausbildung gibt es Anforderungen, die bei einem Umzug berücksichtigt werden sollten. In der deutschsprachigen Schweiz ist Französisch ein obligatorisches Fach (zweite Landessprache) und wird meist ab der 5. Primarklasse unterrichtet. Dies kann insbesondere für deutschsprachige Zuzügler eine Herausforderung darstellen, da Französisch in Deutschland nicht als Pflichtfach behandelt wird und viele somit noch keine Vorkenntnisse haben. Am Langgymnasium wird in den ersten beiden Jahren zusätzlich zu Deutsch und Französisch auch Englisch und Latein unterrichtet.

Beim Besuch eines Schweizer Gymnasiums entscheiden sich die Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse für ein Maturitätsprofil. Die Zürcher Gymnasien bieten fünf Profile an: neusprachlich, altsprachlich, wirtschaft-rechtlich, mathematisch-naturwissenschaftlich und musisch. Jedes Profil ermöglicht die Auswahl von bestimmten Schwerpunktfächern und somit das Verfolgen gewisser Vorlieben. Im letzten Gymi-Jahr wählen die Schülerinnen und Schüler zudem ein Ergänzungsfach, wodurch sie einen zusätzlichen Akzent in ihrer Ausbildung setzen können. Die Abwahl von Grundlagenfächern ist aber nicht möglich.

Einen weiteren Unterschied gibt es beim Übergang von der Sekundarstufe zur Berufsausbildung. In der Schweiz können Schülerinnen und Schüler nach der 3. Sekundarstufe die Berufsmaturitätsschule (BMS) machen – eine Kombination aus Berufslehre und Berufsmittelschule. Nach Abschluss der Lehre ermöglicht die BMS den Zugang zu einer Fachhochschule. Hier unterscheidet man noch zwei Typen: Die BM1 und die BM2. Erstere wird parallel zur Lehre absolviert und letztere nach Abschluss der Lehre. Mit einem einjährigen Vollzeit-Bildungsgang einschliesslich Ergänzungsprüfung (Passarelle), können sich alle mit Berufs- oder Fachmaturität auch den Zugang zur ETH oder der Universität verschaffen.

Alle Infos zur BMS finden Sie in unseren Blogs Die BMS-Fachrichtungen im Überblick und Leitfaden zur BMS-Aufnahmeprüfung 2024.

In Deutschland hingegen gibt es eine striktere Trennung zwischen Lehre und Gymnasium und es ist nicht unüblich, nach dem Abitur noch eine Berufsausbildung zu absolvieren. Dies wird in der Schweiz dank der BMS sehr selten gemacht.

In der Schweiz ist es zudem möglich, nach dem Erwerb der Matura und einem halben Jahr Praktikum prüfungsfrei eine Fachhochschule nach freier Wahl zu besuchen.

Bei LearningCulture ist zudem die Sek 3+ möglich. Eine Privatschule, welche die 3. Sekundarstufe A mit integrierter Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung im März bietet.

Anmeldeverfahren und Voraussetzungen

Bei einem Wechsel ins schweizerische Schulsystem ist es entscheidend, frühzeitig Kontakt mit der gewünschten Schule aufzunehmen. Unabhängig von der angestrebten Stufe ist das Sekretariat die erste Anlaufstelle, um den Anmeldeprozess zu starten. Unbedingt zu beachten sind auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen.

Sobald man einen Wohnsitz im Land hat, gestaltet sich der Wechsel in das schweizerische Schulsystem relativ unkompliziert. Es gilt eine obligatorische Schulpflicht von 11 Jahren (zwei "Kindergartenjahre" mitgezählt), die sicherstellt, dass alle Kinder eine angemessene Grundausbildung erhalten.

Die Anforderungen für den Eintritt in ein Gymnasium werden individuell mit der Schulleitung geklärt. Dies gilt insbesondere für die Möglichkeiten eines direkten Wechsels, zum Beispiel an ein Gymnasium. Laut §62 der VAM* müssen Schülerinnen und Schüler aus ausländischen Bildungssystemen bei einem Übertritt ihre bisherige Bildung nachweisen. Die Schulleitung beurteilt dann die Gleichwertigkeit dieser Vorbildung. Sie kann die Schülerinnen oder Schüler als Hospitantinnen und Hospitanten aufnehmen oder aber verlangen, dass sie eine Aufnahmeprüfung ablegen.

Aufgrund dieser individuellen Beurteilung ist die frühzeitige Kontaktaufnahme mit der gewünschten Schule und insbesondere dem Prorektorat von grosser Bedeutung. Durch eine klare Kommunikation und Bereitstellung aller relevanten Unterlagen kann der Übergang ins schweizerische Schulsystem reibungslos gestaltet werden.

*Verordnung über die Aufnahme in die Maturitätsschulen im Anschluss an die Sekundarstufe und nach Abschluss der beruflichen Grundbildung

Pädagogik und Lehrplan

Die schweizerische Pädagogik legt Wert auf eine breitgefächerte und umfassende Ausbildung. Im Gymnasium beispielsweise werden insgesamt 13 Fächer unterrichtet, die bis zum Ende der Matur fest im Lehrplan verankert sind. Eine Abwahl dieser Fächer ist somit nicht möglich. Hinzu kommt die Anfertigung einer Maturarbeit im letzten Gymi-Jahr. Hierfür sollen die Schülerinnen und Schüler eine grössere Projektarbeit planen, schriftlich dokumentieren und mündlich präsentieren.

Weiteres dazu finden Sie in unserem Blog Tipps für Matura-Arbeiten.

Die Sekundarschule ist in die Niveaus A und B gegliedert. Nach Abschluss der 6. Klasse werden die Schülerinnen und Schüler basierend auf ihrer Gesamtleistung entweder dem Niveau A oder B zugewiesen. Dabei wird im Niveau A von den Lernenden ein erweiterter Grad an Kompetenz erwartet, während in Niveau B grundlegende Kompetenzen gefördert und gefordert werden. Wichtig ist hierbei, dass die Stufen durchlässig sind und ein Wechsel möglich ist.

Stichwort Kompetenz: Im Gegensatz zum deutschen Schulsystem, das oft detaillierte Vorgaben für den Unterricht macht, sind die schweizerischen Lehrpläne eher offen formuliert und orientieren sich stark an Kompetenzen. Der Lehrplan 21 ist ein gutes Beispiel dafür. Darin werden die ersten 11 Schuljahre in drei Zyklen unterteilt. Am Ende eines Zyklus wird beurteilt, ob die Grundansprüche oder weitere Stufen des jeweiligen Zyklus erfüllt wurden. Themenbereiche werden dabei verstärkt fächerübergreifend behandelt. Die Form der Stundenpläne und die Leistungsbeurteilung ist den einzelnen Kantonen überlassen.

Lehrplan21

Herausforderungen und Chancen

Der Wechsel in das schweizerische Schulsystem bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen.

Eine der grössten Herausforderungen stellt die scharfe Selektion dar. In Zürich machen lediglich knapp 20% der Schülerinnen und Schüler das Gymnasium, während 80% eine Berufslehre absolvieren. Dies deutet auf einen starken Wettbewerb und hohe Anforderungen hin – vor allem wenn es darum geht, einen Platz an einem Gymnasium zu ergattern. Darüber hinaus kann die Mehrsprachigkeit des Schweizer Schulsystems eine Hürde sein. Wie erwähnt, ist Französisch ein Pflichtfach und für viele deutschsprachige Zuziehende eine der Hauptschwierigkeiten.

Zu den Chancen des Systems hingegen zählen die zahlreichen Übertrittsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Stufen und Schulformen. So müssen Schülerinnen und Schüler nicht nach der Primarschulzeit ihren Bildungsweg festlegen. Sie haben auch später verschiedene Möglichkeiten, ihn direkt zu beeinflussen und den eigenen Interessen anzupassen.

Das breite Fächerangebot ist ein weiteres zentrales Merkmal des schweizerischen Schulsystems. Es geht über das traditionelle Spektrum von Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Sprachen hinaus und beinhaltet Fächer wie Ethik, Wirtschaft und Recht sowie Musik und Kunst. Auch legt das System einen grossen Wert auf die Allgemeinbildung und bietet Raum für Bereiche wie Haushalt, Berufsorientierung und nachhaltige Entwicklungen. So erhalten die Schülerinnen und Schüler nicht nur eine solide Grundlage in vielen Fachbereichen, sondern entwickeln auch wichtige überfachliche Kompetenzen wie kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und soziale Fähigkeiten.

Ab an die Uni, ETH & Fachhochschule

In der Schweiz stehen den Studierenden insgesamt 12 Universitäten zur Auswahl. Zehn davon werden von den Kantonen betrieben und zwei - die ETH in Zürich und die ETH Lausanne - werden vom Bund getragen. Sowohl Deutschland als auch die Schweiz folgen dem Bologna-Prozess, der einen dreistufigen Studienzyklus (Bachelor, Master, PhD) vorsieht. Allerdings kann es in Bezug auf Struktur und Anforderungen Unterschiede zwischen den beiden Ländern geben. Um an einer dieser Institutionen zu studieren, ist die Matura mit einer genügenden Abschlussnote (≥ 4,0 auf der Notenskala 1 - 6, wobei die 6 die höchste Note ist) erforderlich.

Diese Matura kann, wie oben geschildert, auf verschiedenen Wegen erworben werden. Ob durch den Besuch eines Langgymnasiums, Kurzgymnasiums oder über die Passarelle - das Bildungssystem bietet flexible Wege zum Hochschulzugang. Fachhochschulen stellen eine weitere Option dar, für die eine Berufsmatura ausreichend ist. Diese kann nach Abschluss der Berufslehre und zusätzlicher Schulung in einer Berufsmittelschule erworben werden.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo viele Studiengänge an öffentlichen Hochschulen gebührenfrei sind, können die Kosten in der Schweiz zwischen 500 und 2000 Schweizer Franken pro Semester liegen.

Es wird generell empfohlen, direkt mit der gewählten Universität oder Fachhochschule Kontakt aufzunehmen. So kann sichergestellt werden, ob zum deutschen Abschluss zusätzliche Eignungsprüfungen notwendig sind.

LearningCulture

Sollten Sie weitere Fragen zu einem Schulwechsel haben, kommen Sie gerne für eine Schulberatung bei uns vorbei. Sie haben den Entscheid für eine neue Schule in der Schweiz bereits gefällt? Dann würden wir uns freuen, Ihr Kind mit unseren Vorbereitungskursen oder Privatnachhilfe (eventuell in Französisch?) zu unterstützen.

Quellen

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